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Reinheitsgebot: Mythos und Wahrheit

Da das Thema mal bei den lieben Kollegen aufkam, und ich dazu schon ein wenig Recherchiert hatte, dachte ich mir aus meinem gesammelten Wissen einen kleinen Blogeintrag zu verfassen.

Das Reinheitsgebot

Grundsätzliche Informationen zum Reinheitsgebot gibt’s wie immer bei Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Reinheitsgebot

Ich will hier nicht besonders auf die Historie eingehen. Mich interessiert vielmehr wie der aktuelle Stand der Dinge ist und wie es dazu kommen konnte, dass das ursprüngliche Reinheitsgebot in Deutschland nur noch eingeschränkt gilt.

Zunächst wurde das Reinheitsgebot in den 80ern durch die EWG aufgeweicht: Es gab eine Klage der EWG-Kommission im Jahre 1984. Dort wurden diverse Begründungen angebracht warum das Reinheitsgebot in Deutschland unzulässig ist: „Hemmnisse für den freien Binnenhandel“, „sie [die Kennzeichnung als Bier nach Reinheitsgebot] darf keine negativen Einschätzungen für eingeführte Erzeugnisse zur Folge haben“, „Verhältnismässigkeit“.

Natürlich hatte die Bierindustrie in Deutschland entsprechend Angst, dass der Markt von billigem Import überschwemmt würde. Diese Angst war bereits in den 70er Jahren zu erkennen. Damals begannen erste Überlegungen das Reinheitsgebot aufzuweichen. Ein Bericht des Spiegel von 1971 zeigt das recht anschaulich: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43732428.html

1993 wurde schließlich ein neues Biergesetz erlassen um den Mark für Importe zu öffnen. Die bisherigen Vorschriften über zulässige Zutaten des BierStG (inklusive Reinheitsgebot) befinden sich jetzt im „Vorläufigen Biergesetz“. Allerdings gab es Bemühungen auch dieses „Vorläufige Biergesetz“ inklusive Reinheitsgebot durch ein allgemeineres „Lebensmittel und Futtermittel Gesetzbuch“ zu ersetzen (Quelle: http://www.bmj.bund.de/media/archive/1569.pdf – Seite 32f.). Das ist inzwischen als „Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch“ verfügbar – vom „Vorläufigen Biergesetz“ ist beim Ministerium nichts mehr zu finden. (Für Sachdienliche Hinweise wann das Gesetzt gestrichen wurde bin ich dankbar.)

Im „Vorläufigen Biergesetz“ waren zum Beispiel folgende Regelungen enthalten – von denen ich glaube, dass sie noch eingehalten werden:

Für untergäriges Bier sind Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser als Zutaten zugelassen. Ursprünglich (23. April 1516) war nur Gersten, Hopfen und Wasser zulässig.

Für obergäriges (Kölsch, Alt, Weißbier, …) sind auch andere Malzsorten sowie definierte Zuckerarten und Farbmittel erlaubt.

Unter Malz wird alles künstlich zum Keimen gebrachte Getreide verstanden

Hopfenpulver und anderweit zerkleinerter Hopfen

Als Klärmittel für Würze und Bier dürfen nur solche Stoffe verwendet werden, die mechanisch oder adsorbierend wirken und bis auf … unvermeidbare Anteile wieder ausgeschieden werden.

Für die Zulassung von Ausnahmen sind die nach Landesrecht zuständigen Behörden zuständig.

Zur Herstellung von obergärigem Einfachbier darf … Süßstoff verwendet werden.

Gerne kann und sollte sich jeder den gesamten Gesetzestext durchlesen – ich habe hier nur ein paar Auszüge aufgelistet. Aber es sollte jedem klar sein, dass das Reinheitsgebot in der ursprünglichen Fassung nur noch sehr eingeschränkt gilt. Inzwischen sind Zusatzstoffe (wie z.B. Klärmittel) zugelassen, die aber nicht angegeben werden müssen – das führt zum sogenannten „Clean Label“.

Das soll aber nicht heissen, dass deutsches Bier schlecht ist. Es ist nur nicht alles Gold was glänzt. In jedem Fall müssen deutsche Biere nach dem höchsten Qualitätsstandard gebraut werden den es derzeit Weltweit gibt (zumindest ist das mein aktueller Wissensstand).

Deshalb soll die Bezeichnung „nach deutschem Reinheitsgebot gebraut“ auch durch die EU im Rahmen der sogenannten „traditionellen Lebensmitteln“ geschützt werden. Anders als viele Brauer verlautbaren ist das aber bisher nicht geschehen – die aktuellen Informationen dazu gibt es hier: http://ec.europa.eu/agriculture/quality/schemes/index_de.htm.

Achtung: Auch der entsprechende Wikipedia Artikel enthielt die Behauptung ohne Angabe von Quellen – Ich habe den Artikel dort angepasst, aber bis zur endgültigen Klärung kann dort der fehlerhafte Eintrag noch stehen.

Technische Hilfsstoffe (allgemein)

„Rechtlich gelten technische Hilfsstoffe nicht als Lebensmittel. Anders als Zusatzstoffe müssen technische Hilfsstoffe weder zugelassen, noch auf der Zutatenliste deklariert werden.“ (http://www.biosicherheit.de/lexikon/822.technische-hilfsstoffe.html)

Technische Hilfsstoffe im Bier nach Vorläufigen Biergesetz

Wie oben bereits erwähnt sind zum Beispiel „Klärstoffe“ zugelassen, zum Beispiel kommt Kieselgur zur Anwendung.
Ein Liste gibt’s von den Brauern selbst: „Band IV: Technische Hilfsstoffe“ (http://www.mebak.org/bestellung.php)

Um eventuellen Klagen vorzugreifen: Natürlich Brauen nicht alle Brauer mit Hilfsstoffen. Allerdings sind diverse Zusatz- und Hilfsstoffe gesetzlich zugelassen und es ist nicht ersichtlich welche davon im jeweiligen Bier zu finden sind. Dabei ist es ganz unerheblich ob „nach deutschem Reinheitsgebot“ auf dem Etikett steht, da der Begriff bisher nicht entsprechend geschützt ist.

Es gibt natürlich einige Marken, die „nach deutschem Reinheitsgebot gebraut“ im Logo enthalten – einfach mal bei der Registerauskunft suchen. Das bedeutet allerdings nur, dass keine Farbstoffe verwendet werden dürfen. So steht es in der Verordnung zu den technischen Hilfsstoffen.

Fazit

Bier nach dem „Reinheitsgebot“ ist in seiner ursprünglichen Form vielleicht noch anzutreffen, aber nicht mehr durch anderes Bier zu unterscheiden. Solange das Vorläufige Biergesetz noch galt konnte man zumindest bei deutschem Bier davon ausgehen, dass wenige und auch nur streng definierte Zusatz- und Hilfsstoffe enthalten sein können. Inzwischen ist selbst das fraglich und man muss sich auf die Aussagen der Brauer verlassen.

Am Ende ist es jedoch Geschmackssache und ein wenig Lebenseinstellung, ob man Bier trinkt … und welches man trinkt.

 

Update (vom 25.04.2012)

Dass Bier Geschmackssache ist dürfte wohl jedem klar sein. Was es mit dem Geschmack noch so auf sich hat kann man gut im Artikel „Neue Hopfensorten, oder: der Untergang des Abendlandes?“ nachlesen.